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Arlesheim
Dom
12. November 2016
19:30 Uhr
Monteverdi
Bohdan Shved, Leitung
Mit:
Adriana Alcaide; Irantzu Zuasti (Violine)
Luciana Elizondo (Viola da Gamba)
Tis Marang (Violone)
Quito Gato (Theorbe)
Lluis Coll; Núria Sanromà (Zink)
Elias Hernandis; Jordi Giménez; Xavier Banegas (Posaune)
Daniela Niedhammer (Orgel)
Programm
Claudio Monteverdi (1567–1643)
Domine ad adiuvandum *
Laudate Dominum Terzo **
Sonata sopra
Sancta Maria ora pro nobis *
Messa a 4 voci da Cappella ***
– Kyrie, Gloria
Laetatus sum *
Messa a 4 voci da Cappella
– Credo
Crucifixus **
Pianto della Madonna **
(Solistin: Basia Lityńska)
Surgens Jesu
Magnificat primo **
Johann Heinrich Schmelzer (1623–1680)
Sonata IV a Sei
Claudio Monteverdi
Messa a 4 voci da Cappella
– Sanctus, Benedictus
Beatus vir **
* aus Vespro della Beata Vergine
** aus Selva morale e spirituale
*** posth. 1650
2017 feiert Claudio Monteverdi seinen 450. Geburtstag. Grund genug, sich bereits im alten Jahr auf den genialen Komponisten einzustimmen. Seine Kompositionen markieren den Übergang zum Barock: Das Verwenden von Instrumenten, die stärkere Orientierung an der Wortbedeutung führen zu einer Abkehr der Polyphonie; auch geistliche Musik dient zunehmend der Darstellung menschlicher Affekte, die mit monodischen, konzertanten Formen zum Ausdruck gebracht werden müssen.
Ab 1613 als Komponist an San Marco in Venedig tätig, war Monteverdi Teil einer einmaligen Entwicklung im Bereich der geistlichen Musik: seine Vorgänger, Meister wie Adrian Willaert, Andrea und Giovanni Gabrieli, experimentierten mit Raumklangeffekten; sie teilten den Chor in mehrere Gruppen, die im Wechselspiel aufeinander abgestimmt den Raum zum Schwingen brachten. Durch den Einbezug von Instrumenten und ihrer bestimmten Verteilung im Raum gaben sie der polyphonen Musik bis anhin ungeahnte Entfaltung und Auswirkung auf die Zuhörer. Vom „Himmel auf Erden“ sprachen Zeitzeugen, die durch ganz Europa reisten, um dieses Wunder zu erleben. Das doppelchörige Magnificat primo, das auch immer wieder solistische Passagen aufweist, mag davon einen Eindruck vermitteln.
Monteverdi hat die musikalischen Entwicklungen der Zeit massgeblich geprägt. Auf seiner Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten entwickelte er eine Reihe von Techniken (z.B. das Tremolo der Streicher), die aus der Musik nicht mehr wegzudenken sind – und uns in ihrer Modernität zuweilen überraschen, so zum Beispiel die jazzigen Basslinien von Laetatus sum und Beatus vir. In Abgrenzung zur kontrapunktisch ausgerichteten Polyphonie schuf er eine an Sprachrhythmus und Textbedeutung orientierte musikalische Formensprache, die seconda pratica. Damit erreichte er eine Dramatik und Ausdruckkraft, die seine Zeitgenossen nicht nur nicht kannten, sondern auch nicht wagten:
In seiner Musik spiegelt sich der Mensch – wütend und verzweifelt, flehend und klagend, aber auch hoffend und voller Glück. Im Pianto della Madonna – einer Kontrafaktur des weitaus berühmteren Lamento d’Arianna – zeigt er eine leidenschaftliche Maria, schwankend zwischen Trauer und Zorn, Liebe und Elend.
Auf dem Programm stehen eine Auswahl von Stücken aus Monteverdis Wirken, die durch verschiedene Besetzungen und Formen von polyphon-sphärisch bis zu monodisch-individuell die grösstmögliche Spannweite seines Schaffens bieten. Strukturgebend ist die Messa a 4 voci da Cappella, die sich noch dem alten Stil zuordnen lässt. Um sie herum sind Kompositionen angeordnet, die vorwiegend aus der 1641 veröffentlichten Sammlung «Selva morale e spirituale» und der Marienvesper stammen. Sie machen Monteverdis Ideenreichtum erfahrbar: Von der rhythmisch-verspielten Sonata sopra Sancta Maria bis zum dramatischen Crucifixus, in dessen Chromatik Schmerz körperlich spürbar wird, lässt das Programm das Publikum erleben, wie Monteverdi die polyphone Tradition mit neueren Ausdrucksmöglichkeiten erweiterte und Formen schuf, die bis heute nichts von ihrer Wirkungsmächtigkeit eingebüsst haben.
1972 von Piergiuseppe Snozzi gegründet, widmete sich der a cappella Chor Zürich insbesondere der Musik Palestrinas und seiner Schüler. Seit 2012 steht der Chor unter der Leitung von Bohdan Shved. Mit ihm haben wir uns in neue Richtungen weiterentwickelt. Zum Repertoire gehören mittlerweile auch Stücke zeitgenössischer Komponisten wie Arvo Pärt oder Ola Gjeilo. Die langjährige Auseinandersetzung mit der Polyphonie der Renaissance führte zu hohen Ansprüchen an ein reines, homogenes Klangbild. Mit dem Einbezug von historischen Instrumenten wird das Spektrum an Klangfarben noch bereichert: Ganz in der Tradition am Markusdom wird das Spiel mit den Registrierungen hervorgehoben; Zinken und Posaunen, die mit dem Chor die gleiche Stimme spielen, färben auf diese Weise seinen Klang überraschend neu und bieten grosse Abwechslung.
Bohdan Shved, geboren 1973 in Lwiw, Ukraine, studierte in seiner Heimatstadt Flöte, Klavier und Dirigieren und schloss im Fach «Opern- und Sinfoniedirigieren» bei Mykola Kolessa mit Auszeichnung ab. Es folgten zahlreiche Weiterbildungen, u.a. in Leipzig und am Mozarteum in Salzburg, ausserdem Meisterkurse bei Zsolt Nagy, Peter Eötvös, Yuri Simonov, Sir Colin Davis und Silvain Cambreling. Gastdirigate führen ihn in diverse europäische Städte. Seit 2005 ist er wiederholt an der Opéra de Lyon engagiert, für das Festival dʼAix-en-Provence arbeitete er 2015 mit Teodor Currentzis und Peter Sellars. Neben dem a cappella Chor Zürich leitet Bohdan Shved Chöre in Basel und Bern.
Die aus Barcelona stammende Barockgeigerin Adriana Alcaide begann im Alter von 8 Jahren Klavier zu spielen, 3 Jahre später entdeckte sie ihre Liebe zur Geige. Während ihres Studiums in ihrer Heimatstadt begann sie, sich auf Alte Musik zu spezialisieren. Am Konservatorium in den Haag vertiefte sie ihre Studien zur historischen Aufführungspraxis und Barockgeige bei Enrico Gatti und Pavlo Besnoziuk. Von 2000 bis 2002 war sie Mitglied des European Baroque Orchestra. Sie spielt regelmässig in diversen Ensembles und arbeitet für bekannte Namen wie Rinaldo Alessandrini, Christina Pluhar, Martin Gester, Eduardo López Banzo, Monica Huggett, Jordi Savall, Andrea Marcon und Fabio Bonizzoni.